Herausforderungen und Hindernisse in der Industrielogistik

Unterbrochene Lieferströme zum einen, eklatanter Personalmangel zum anderen, dazu die Unsicherheit über die weiteren Entwicklungen der Corona-Pandemie – 2022 meint es nicht unbedingt gut mit Logistikunternehmen. Wie man den Widernissen trotzt, zeigt der Erfolg der LogServ-Gruppe. Logistik express im Gespräch mit den Geschäftsführern Christian Janecek und Markus Schinko.

Redaktion: Angelika Gabor.

Als Tochter der voestalpine Stahl GmbH ist die Logistik Service GmbH (LogServ), Mutter der Cargo Service GmbH, auf Schienenlogistiklösungen spezialisiert. Die Expertise aus der Werkslogistik wurde längst auch auf externe Kunden ausgeweitet – überwiegend aus den Bereichen Metallerzeugung, Metallverarbeitung, Baustoff- und Prozessindustrie, Maschinen- und Anlagenbau sowie Automobil- und Automobilzulieferindustrie.

Wie beurteilen Sie aktuell die Lage?
„Die Supply-Chain ist aktuell aufgrund verschiedener Ursachen stark unter Druck. Die Kriegswirren in der Ukraine haben die Lieferströme durcheinandergewirbelt. Hinzu kommen Personalausfälle wegen COVID, Niedrigwasser in Donau und Rhein aufgrund der starken Hitze, Tunnelsperren und Baustellen. Der Aufwand für das Managen der Lieferketten ist immens gestiegen. Neu sind die ständigen Veränderungen; plötzliche, unerwartete Störungen, auf die zu reagieren höchst anspruchsvoll und belastend ist. Viele Mitarbeiter sind extrem gefordert, weswegen alternative Arbeitszeitmodelle mit ausreichend Erholungsphasen sehr wichtig geworden sind“, sagt Christian Janecek.

„Das aktuelle `Must-win-Battle` ist es, neue Mitarbeiter zu finden. Die Logistik ist vom Kostenfaktur zum Erfolgsfaktor geworden – aktuell aber eher zum Engpassfaktor. Die voestalpine lebt nicht nur von der Produktion, sondern auch davon, dass die Waren bei den Kunden ankommen. Die Logistikströme funktionieren aktuell unter erschwerten Bedingungen. Nimmt man als Beispiel die Kohlelieferung von Osten nach Westen, ist derzeit keine Lieferung aus Russland möglich. Ersatz kommt aus Südafrika zu den Westhäfen, aber die Infrastruktur ist darauf gar nicht ausgelegt. Es fehlt an Waggons ebenso wie an Kapazitäten auf den Trassen und in den Häfen. So ist etwa Rotterdam bereits deutlich überlastet, und das wirkt sich wiederum negativ auf die Laufzeiten aus.“

„Die Ressourcenthematik ist aktuell leider durch und durch problematisch“, ergänzt Markus Schinko. „Wir sind auf die Bahn angewiesen, unser Fokus liegt auf In- und Outbound. Wir profitieren zum Glück von unserem internen Bahn-Know-how und können uns selbst aushelfen. Früher war es so, dass man eine Trasse gebucht hat und der Zug fuhr. Heute braucht man die Lokomotive ebenso wie geeignetes Personal.

Das nötige Abweichungsmanagement ist extrem. Die Beschaffung neuer Lokomotiven dauert 2 Jahre, oder noch länger. Und dann steht man plötzlich vor dem Problem, dass das Material vielleicht gar keine Zulassung für Österreich hat. Hier ist dringend eine Vereinheitlichung zumindest auf europäischer Ebene nötig. Leider gibt es viel zu wenige Produktionsstätten für Güterwägen in Europa, darum werden wir hier selbst einen Markteinstieg versuchen.

Ist die Bahnlogistik die Lösung der Umweltthematik?
Janecek: „Natürlich ist die CO2-Reduzierung ein Thema. Im Outbound transportiert die voestalpine über 50 Prozent per Bahn, das ist für einen Stahlerzeuger eher ungewöhnlich. Lediglich ein Drittel wird per LKW abgewickelt. Aber wenn der Engpass bei Lokomotiven und Waggons weiter anhält, bleibt keine andere Wahl, als auf den LKW auszuweichen. Es ist ein harter Kampf: einerseits möchten wir den Standort auf CO2-Reduktion trimmen, aber dazu ist mehr Kapazität in den Verschiebebahnhöfen nötig. Aber wenn kein Material da ist, dann ist dieses Vorhaben nicht umsetzbar, egal, wie gut die Vorsätze sein mögen. Damit der Umstieg von der Straße auf die Schiene wirklich funktioniert, müssten Güterzugstrassen bevorzugt werden.“

Man liest überall von Personalmangel, wie geht es der LogServ damit?
Schinko: „Personal ist die wichtigste Ressource. Anteilsmäßig betragen die Personalkosten bis zu 70 Prozent! Der Mangel ist groß, von der Hilfskraft bis zum Facharbeiter fehlt Personal an allen Ecken und Enden. Wir setzen viele Maßnahmen, um neue Mitarbeiter zu finden, die regionale oder sogar nationale Suche reicht leider längst nicht mehr aus. Wir haben uns unterschiedliche Konzepte überlegt. Eines davon ist es, Mitarbeiter aus dem Balkanraum zu gewinnen. Dabei kümmern wir uns nicht nur um den Erwerb der Sprachkenntnisse, sondern auch um die entsprechende Wohnung und Papiere.“

„Viele aus dem Dienstleistungsbereich haben während der Pandemie eine Umschulung begonnen, aber genau diese Menschen fehlen jetzt. Eine Umschulung ist gut für Mangelberufe, keine Frage – aber meiner Meinung nach ist hier auch eine Eigenleistung angebracht, der Staat sollte nicht für alles aufkommen“, meint Schinko. „Man könnte sagen, es herrscht ein ‚War for workforce‘“, ergänzt Janecek „Ein weiterer Ansatz, um Mitarbeiter zu gewinnen, ist die Kooperation mit Fachhochschulen (St. Pölten und Steyr). Wir betreuen Diplomarbeiten und präsentieren uns auf Berufsmessen, um uns den Absolventen als attraktiver Arbeitgeber anzubieten. Früher wurden Ferialpraktikanten für administrative Tätigkeiten eingesetzt, aber heute lassen wir sie das gesamte Unternehmen kennenlernen – immerhin könnten das die Mitarbeiter der Zukunft sein“, verrät Janecek.

„Wir haben festgestellt, dass es bei den Studenten große Geschlechterunterschiede hinsichtlich der Interessen gibt – die wir bei der Ansprache berücksichtigen müssen. Während für weibliche Bewerber soziale Aspekte wie Kinderbetreuungsplätze eine große Rolle spielen, zählen für männliche Bewerber vor allem Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Generell sehen wir, dass das Thema Nachhaltigkeit stark an Bedeutung gewonnen hat. Das „Wie“ und das „Warum“ sind extrem wichtig, und das müssen auch unsere Führungskräfte bedenken, damit sie entsprechend darauf eingehen können.“ (AG)

 

LOGISTIK express Journal 4/2022

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